Digitalisierung im Vertrieb – Herausforderung für die Führung!

VERTRIEBSMANAGER online, 23.06.2017: Digitalisierung im Vertrieb - Herausforderung für die Führung! Autorin: Eva Hönnecke.

Ein verändertes Kundenverhalten verändert auch die Anforderungen an einen Vertriebler. Es liegt an den Führungskräften, hier die Weichen richtig zu stellen.

Expertenbeitrag von Eva Hönnecke in VERTRIEBSMANAGER online

Die Digitalisierung wird die Anforderungen an den Vertrieb und dessen Arbeitsweise in den nächsten Jahren rasant verändern. Dies bezieht sich keinesfalls nur auf die Nutzung digitaler Medien. Das ist inzwischen selbstverständlich. Was in den 90igern der verknitterte Anzug oder das schmutzige Auto war, ist heute der Uraltrechner und der Flyer.

Vielmehr verändern Kunden mit digitalen Möglichkeiten ihre Erwartung und ihr Verhalten vor allem beim Einstieg in die Sales Pipeline. Damit wandelt sich auch die Rolle und Bedeutung des Vertriebs.

Alles nur noch digital?

… nein sicher nicht. Wir sind weiterhin soziale Wesen. Insofern, wird die Digitalisierung eine Kernaufgabe und -kompetenz im Vertrieb nicht verändern, nämlich das Aufbauen von stabilen und auf Vertrauen basierenden Kundenbeziehungen – soweit die gute Nachricht.

Schauen wir etwas näher hin, was sich mit der Digitalisierung für den Vertrieb verändert.

Der Einstieg in einen Verkaufsprozess erfolgt heute fast immer über die Website. Dies gilt auch für B2B. 50 Prozent der Einkaufsverantwortlichen in Deutschland und in den USA sind laut einer Studie unter 35 Jahren. Diese Gruppe beschafft die Information, die sie braucht, selbstverständlich im Netz und hat definitiv kein Interesse an Kaltakquisition per Telefon oder Mail.

Das ist für viele Vertriebsmitarbeiter wahrscheinlich zunächst eine gute Nachricht, jedoch nur solange sichergestellt ist, dass die Leadgenerierung vom Marketing auch kompetent übernommen wird. Auf der anderen Seite verschiebt sich damit intern eine Schnittstelle: die Bedeutung und der Beitrag des Vertriebs zum Umsatz wird tendenziell geringer.

Wenn es zum ersten persönlichen Kontakt mit dem potentiellen Kunden kommt, ist dieser bereits deutlich besser informiert, vor allem was den Wettbewerb und Anwendererfahrungen anbelangt. Mit der zunehmenden Transparenz für Kunden entfällt eine vormals oft bequeme Informations-asymetrie.

Mein Auto konfiguriere ich mir heute am Rechner und auch für eine Baufinanzierung oder meine Geldanlagen brauche ich kein persönliches Gespräch mehr. Forrester Research Inc. prognostiziert, dass in den nächsten fünf Jahren ca. 1 Mio. Vertriebsmitarbeiter (Salespeople) in den USA ihren Job verlieren. Selbst wenn der Begriff Salespeople hier möglicherweise weit gefasst ist, wird die Tendenz deutlich.

Erhöhter Anspruch durch mehr Kanäle

Damit ist der persönliche Vertrieb nicht obsolet. Er hat nach wie vor dort seinen Platz, wo das Produkt oder die Leistung in Kernprozesse beim Kunden eingreifen oder dessen Business Case nachhaltig beeinflussen. Hier ist die Fähigkeit gefragt, das Geschäft des Kunden zu verstehen, aus seiner Perspektive zu denken, und gemeinsam mit dem Kunden Wertschöpfungspotentiale zu identifizieren und diese umsetzen zu können. Laut der Studie „The Future of Sales“ von A.T. Kearny verfügen die Unternehmen, die „Best in class“ sind, über doppelt so viele Vertriebsmitarbeiter, die dies können, als die durchschnittlich erfolgreichen Unternehmen. Vertrieb wird damit anspruchsvoller.

Nach wie vor zeichnet sich ein Vertriebsmitarbeiter durch die Bereitschaft und Freude am Aufbau einer persönlichen Beziehung zu einer großen Bandbreite an Menschen aus. Integrität, Glaubwürdigkeit und damit Vertrauen in eine Lieferantenbeziehung hängen in der digitalen Welt noch viel mehr als in der analogen Welt an Personen und zwar auch, weil sich die Interaktionsmodelle verändern.

Einer repräsentativen Umfrage des Business-Portals Linkedin mit 500 Vertrieblern aus dem letzten Jahr zeigt, dass bereits 38 Prozent der Vertriebsmitarbeiter Social Media nutzen, um Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Wer das gut macht, hat nicht nur ein Profil, sondern leistet auch Beträge in Gruppen und Foren. Kommunikation mit Kunden wird damit öffentlicher. Der einzelne Vertriebsmitarbeiter ist nicht mehr nur Repräsentant eines Unternehmens oder einer Marke, er oder sie wird stärker individuell und persönlich (nicht privat!) sichtbarer. Bei diesem Gedanken mag es dem ein oder anderen Vertriebsmitarbeiter zunächst etwas unwohl werden.

Gerade jetzt ist Führung gefragt

Führung ist immer dann besonders wichtig, wenn sich das Umfeld verändert. Damit verändern sich auch die Anforderungen hinsichtlich der Arbeitsweisen und des Verhaltens, die für Erfolg in einer sich wandelnden Welt relevant sind.

Daher reicht es sicher nicht, den Forecast abzufragen und die Vertriebsmitarbeiter bei wichtigen Kundengesprächen zu unterstützen. Vielmehr ist eine Führung gefragt, die Richtung und Orientierung vorgibt und Mitarbeitern hilft, die Kompetenz zu entwickeln, die es für einen anspruchsvollen Direktvertrieb im digitalen Zeitalter braucht.

Wenn Vertriebsmitarbeiter zunehmend als Person in sozialen Medien sichtbar werden, oder wenn es, wie oben beschreiben, mehr um die Identifikation von Wertschöpfungspotentialen und Co-Kreation mit Kunden geht, muss Führung dafür sorgen, dass alle das Big Picture verstanden haben. Mit Big Picture ist ein gemeinsames Verständnis aller Mitarbeiter über den Sinn des Unternehmens und dessen Beitrag für Kunden gemeint, und das ist deutlich mehr, als die Summe aller Leistungsmerkmale vom Produkt. So macht es einen Unterschied, ob ich sage, dass ich für ein neues Verständnis von Führung stehe, oder ob ich sage, ich verkaufe Führungskräftetrainings. Aus dieser Flughöhe und Perspektive ist eine andere Qualität von Dialog mit Kunden und Interessenten möglich. Die einfachen Transaktionen gehen, wie gesagt, auch ohne intelligente, persönlichen Kommunikation über digitale Kanäle.

„Start with WHY“ ist daher auch die Botschaft von Simon Sinek. Anhand seines Modells des Golden Circles zeigt er am Beispiel von Apple, dass erfolgreiche Unternehmen, die dieses Big Picture kennen und deren Vertriebsmitarbeiter entsprechend in der Lage sind zu kommunizieren, deutlich erfolgreicher sind, als andere.

Teams sind stärker als Einzelne, warum also nicht gezielt die Intelligenz des Teams nutzen, um Leads und Kundenbeziehungen zu entwickeln. Da sind Einzelkämpfertum, Rennlisten und interner Wettbewerb wenig hilfreich. Die Aufgabe von Führung ist es vielmehr, für gemeinsames Lernen, Austausch und eine Kultur zu sorgen, die dies ermöglicht. Vertriebsmeetings können dazu genutzt werden, dass einzelne Vertriebsmitarbeiter Leads vorstellen, die feststecken oder aus einem anderen Grund kompliziert sind. Im Format der „Kollegialen Beratung“ können schnell, unter Nutzung der Erfahrung aller Kollegen, Impulse und Handlungsempfehlungen erarbeitet werden. Der Austausch steigert nicht nur die Gesamtperformance, sondern stärkt auch den Teamgeist und das Gefühl von Zugehörigkeit und Kollegialität. Auf die meisten Menschen wirkt das motivierend.

Menschen haben unterschiedliche Talente und Stärken und können diese für eine Aufgabe eben auch unterschiedlich nutzen. Auch im Vertrieb ist nicht jeder auf die gleiche Weise erfolgreich. Da gibt es den begnadeten Kontakter, dem es extrem leicht fällt, mit fremden Menschen ungezwungen in einen ersten Dialog zu kommen. Möglicherweise gelingt es diesem dann nur durchschnittlich, auf innovative Ideen für eine den Kunden begeisternde Lösung zukommen. Die Stärken der Mitarbeiter zu erkennen, und diese mit Hilfe von konstruktivem Feedback stärkenorientiert zu fördern, ist Führungsaufgabe. Nur über eine Konzentration auf die Stärken entsteht Exzellenz und die Entwicklung von Vertriebsmitarbeitern, die anspruchsvolle Kunden durch Kompetenz und Persönlichkeit begeistern können. Hilfreich ist hier die Arbeit mit dem Strenght finder@ des Gallup Instituts, welches den Nachweis zwischen dem Stärkenorientierten Ansatz, Mitarbeiterengagement und Performance erbracht hat.

Führen in einer sich rasch verändernden digitalen Welt bedeutet neben dem operativen Geschäft (manageing business) in Zukunft immer mehr, den Fokus auf die Entwicklung der eigenen Mitarbeiter (manageing people) zu legen.

 

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